Kurzbeschreibung des Gesamtprojekts

Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur Frühen Neuzeit

Beginn: Teilprojekte Antike und Mittelalter WiSe 2011/12, Teilprojekt Frühe Neuzeit SoSe 2012

Ende: Mai 2015

Laufzeit: 36 Monate


1. Fragestellung: 

Sklaverei wurde nicht nur in Amerika bis in das 19. Jahrhundert, sondern auch im christlichen Europa bis in die Frühe Neuzeit praktiziert. Diese Tatsache haben in den letzten Jahrzehnten sozial- und wirtschaftsge-schichtliche Forschungen erwiesen und damit ältere, häufig ideologisch geprägte Auffassungen von einem allmählichen Niedergang dieser Institution seit dem Ende der Antike widerlegt. Wie ließ sich diese Praxis mit dem Christentum vereinbaren, das jeden Menschen als Ebenbild Gottes versteht, zugleich aber die Sklaverei legitimierte? Um diese Frage zu beantworten, ist ein bislang völlig fehlender theologiegeschichtlicher Zugriff auf diese lange Geschichte der Sklaverei notwendig.

In welchen Kontexten reflektieren Theologen über Sklaverei? Aufschlussreich sind exegetische und systematische Entwürfe über Schöpfung, Erbsündenlehre und Heilsgeschichte sowie Debatten des Völker-rechts. Auch die spiritualisierte Rede von Sklaverei (innere Unfreiheit durch Sünde) wirkte sich auf das Ver-ständnis der realen Sklaverei aus.

Eine longue durée-Perspektive von der Antike bis zur Frühen Neuzeit lässt neue Einsichten in Rezeptionspro-zesse, Legitimations- und Bewältigungsstrategien erwarten. Dies ist im Hinblick auf die aktuelle Debatte um die Gründe der Abschaffung der Sklaverei und der damit verbundenen Frage nach dem humanisierenden Ein-fluss des Christentums von größter Relevanz.

2. Ergebnis: 

Das Projekt, das als interdisziplinäres Gemeinschaftsprojekt der beiden Antragstellerinnen (Heike Grieser/ Mainz und Nicole Priesching/ Paderborn) konzipiert ist, hat sich erstmals mit einem bislang völlig fehlenden theologiegeschichtlichen Zugriff auf die Sklavereigeschichte im Längsschnitt beschäftigt. Rasch stellte sich heraus, dass das Thema Sklaverei in der christlichen Theologie vom Neuen Testament über die frühchristlichen Autoren bis hin zu den Theologen der Frühen Neuzeit (sowie darüber hinaus) einen zentralen Platz einnimmt. Dies erklärt sich zunächst damit, dass die Sklaverei eine selbstverständliche Realität in der Lebenswelt dieser Christen darstellte, mit der sie selbst mehr oder weniger intensiv in Berührung gerieten. Die daraus entstehenden Auseinandersetzungen führten zu vielfältigen Reflexionen über die Ursachen der Entstehung von Sklaverei, über ihre mögliche Beendigung oder auch über die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen zwischen (christlichen) Herren und (christlichen) Sklaven. Als zentrale Autoritäten gerieten dabei vor allem das Alte und Neue Testament in den Blick, deren einschlägige Äußerungen christliche Bibelausleger und Prediger über die Jahrhunderte hinweg verwendeten, um Antworten auf die geschilderten Fragen zu finden. Doch beeinflusste nicht nur die Bibel ihre Positionierungen. Als entscheidend erwies sich vor allem in den ersten Jahrhunderten der Rekurs auf Antworten der paganen Philosophie und des geltenden Römischen Rechts, auch wenn diese „Quellen“ nur selten explizit gekennzeichnet wurden. Durch die Rezeption der hochgeschätzten Kirchenväter bis in die Frühe Neuzeit verloren damit auch diese Modelle nichts von ihrer Außenwirkung. Nicht selten kommt es dabei zu miteinander konkurrierenden und in sich nicht kohärenten Erklärungen, wenn z.B. philosophische Konzepte einer Sklaverei von Natur aus mit der alttestamentlichen Erzählung von der Zurücksetzung des Esau vermischt werden oder Thomas von Aquin auf verschiedene Modelle der Entstehung von Sklaverei bei Aristoteles und Augustinus zurückgreift, ohne deren Widersprüche tatsächlich aufzulösen.

Wie ließ sich nun die Praxis der Sklaverei mit dem Christentum vereinbaren, das jeden Menschen als Ebenbild Gottes versteht und dies gleichzeitig über Jahrhunderte hinweg nicht als Widerspruch zu Sklaverei sah? Als zentrale Legitimations- und Bewältigungsstrategie spielte die schon in der paganen Philosophie gebräuchliche Unterscheidung zwischen „innerer“ und „äußerer“ Sklaverei bzw. Freiheit, die christliche Autoren bis in die Frühe Neuzeit rezipieren, eine große Rolle, und dies mit ambivalenten Auswirkungen. Einerseits rückte sie dieses Thema in eine ethische oder gnadentheologische Dimension und wertete es damit auf: Herren und Sklaven werden zu gegenseitiger Liebe und zur Wahrnehmung von Verantwortung im jeweiligen Stand angehalten, wodurch eine gewisse „Humanisierung“ der Verhältnisse möglich scheint. Andererseits dispensierte die damit verbundene Relativierung der irdischen Verhältnisse auch von einer Gesellschaftskritik, indem die „innere“ Freiheit höher bewertet wurde als die „äußere“. Schließlich konnten auch konsolatorische Hinweise auf das Jenseits systemstabilisierend wirken. Dagegen hat man das abolitionistische Potenzial verschiedener biblischer Gleichheitsaussagen (z.B. Gal 3,28) erst in der jüngeren Zeit erkannt – als Idee ist es allerdings über die Jahrhunderte hinweg zum Beispiel in einigen mönchischen Kreisen bewahrt worden. Weitere interreligiöse und interkonfessionelle Forschungen erscheinen wünschenswert.


Theology and slavery from antiquity to Early Modern Age

Théologie et esclavage depuis l'antiquité jusqu'aux temps modernes

Teologia e schiavitù dall'™antichità all'™Età moderna  

La teologí­a y la esclavitud desde la antigüedad hasta la Edad Moderna

 

Wichtige weiterführende Links

Akademie der Wissenschaften Mainz, Forschungen zur Antiken Sklaverei

Zentrum für Mittelmeerstudien Bochum