DFG – Projekt: "Lexikon gnostischer Mythologumena, Teil II: die patristischen Quellen" (Dr. Dr. Johanna Brankaer)

 

Projektleiterin: Dr. Dr. Johanna Brankaer

 

Ziel des Projektes ist es, ein Hilfsmittel für die Gnosisforschung in drei Bänden zu erstellen:

  1. das eigentliche Lexikon gnostischer Mythologumena;
  2. zwei Konkordanzen: eine, die sich auf die patristischen Materialien bezieht,
  3. und eine, die sich auf die koptisch-gnostischen Quellen bezieht (Gegenstand eines früheren Projektes).

 

Das eigentliche Lexikon

Das eigentliche Lexikon, in dem die Lemmata alphabetisch geordnet werden, basierend auf den Ergebnissen beider Konkordanzen, soll ein Hilfsmittel sein, das mehrere Zugänge zum Thema „gnostische Mythologie“ bietet.

Man kann das Lexikon – inklusive der Konkordanz – für verschiedene Bedürfnisse benutzen, z.B. beim Studium einzelner „gnostischer“ Texte, mythologischer Motive oder Gestalten, Stichwörter, usw. Bestimmte Parallelen, die in den vorhandenen – vor allem lexikalischen – Hilfsmitteln nicht ausgewertet werden (z.B. wenn eine bestimmte Funktion von verschiedenen Handlungsträgern ausgeübt wird), sind in diesem Lexikon durch die Verweise auf die thematische Darstellung im Konkordanz-Teil und ein ausgebreitetes System von Querverweisen einfach nachzuvollziehen.

 

Die Konkordanzen

Für dieses Projekt wird die zweite Konkordanz erstellt, die die Ergebnisse der patristischen Literatur enthält.

Die Ziele des zweiten Bandes stimmen weitgehend mit denen des ersten Bandes überein. Ein wichtiger Unterschied liegt darin, dass die Kirchenväter gewisse mythologische Vorgänge bestimmten gnostischen Lehrern bzw. Schulen zuweisen. Deshalb wird sich der zweite Band in den Punkten (c) - (e) vom ersten unterscheiden.

 

a) Eine thematische Konkordanz

Das Nebeneinander von verschiedenen konkreten „Erscheinungsformen“ gnostischer Mythologumena bietet einen Überblick der Materie nach inhaltlich-thematischen Kriterien. Das Lexikon ist in diesem Sinne zu den vorhandenen lexikalischen Konkordanzen komplementär.

 

b) Die Frage nach dem „gnostischen“ Pluralismus und der gnostischen Einheitlichkeit

Alexander Böhlig stellte schon 1975 die Frage nach dem gnostischen „Pluralismus“ und nennt als wichtige Aufgabe der Gnosisforschung, „zu untersuchen, inwiefern Pluralismus und freier Umgang mit Mythologemen hier nebeneinander stehen.“[1] Diese Aufgabe wird ernst genommen, indem bei dem geplanten Vorhaben für jedes Mythologumenon die Totalität der Darstellungen betrachtet wird, ohne dabei die Unterschiede auf ein genealogisches Modell zu reduzieren.

Neben die Frage des Pluralismus, sollte auch die Frage nach den Gemeinsamkeiten der gnostischen Systementwürfe gestellt werden. Ist es möglich, mit allen Varianten zu einem einheitlichen und übergreifenden Gnosisverständnis zu kommen? Die Arbeit am Lexikon wird dazu beitragen eine doktrinäre Typologie der Gnosis nachzuvollziehen.

 

c) Die Frage der Klassifikation der „gnostischen“ Schriften

Die Kirchenväter, die sich mit der Gnosis befasst haben, haben versucht, unterschiedliche gnostische Sekten bzw. Schulen zu beschreiben und zu klassifizieren, sei es genealogisch, sei es nach ihren doktrinären Elementen. Anders als im ersten Teil (mit den koptischen Originaltexten) werden in diesem Teil, neben den Textstellen bei den patristischen Verfassern, auch die häresiologischen Verweise auf die verschiedenen Schulen aufgenommen. Dies wird es zulassen, die Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Sekten – bzw. was die Häresiologen den unterschiedlichen Schulen zuschreiben – ins Auge zu fassen. Dieser Teil des Lexikons wird es ermöglichen, die Frage der häresiologischen Klassifikationen erneut zu untersuchen.

 

d) Die polemische Ausrichtung der häresiologischen Berichte

Anders als bei den Ergebnissen der Originaltexte ist die Behandlung der gnostischen Mythologumena bei den Ketzerbestreitern nicht neutral. Es ist dabei möglich, dass die mythologischen Elemente nicht wahrheitsgemäß dargestellt wurden. Daher ist es wichtig, dass der zweite Teil parallel zum ersten benutzt werden kann, wobei man die Ketzerberichte und die Originaltexte miteinander vergleichen kann. Dies wird es erlauben, die häresiologische Darstellung gnostischer Mythologumena kritisch zu betrachten.

Andererseits gibt es häresiologische Berichte über Tendenzen, die nicht in den überlieferten Originaltexten vertreten sind (z.B. Buch des Baruch, die Lehre von Simon Magus). Deswegen sind sie auch komplementär zu den Ergebnissen aus den Originaltexten. Die beiden Bände werden zusammen einen Überblick über das Ganze geben, das von der gnostischen Mythologie erhalten ist. Dabei müssen die Benutzerinnen und Benutzer aber auf die polemische Gestaltung der Wiedergabe mythologischer Elemente bei den Häresiologen Rücksicht nehmen. Im Lexikon werden die Mythologumena neutral dargestellt ohne ein Urteil über die Qualität der Informationen. Es ist der Vergleich mit dem ersten Teil, der es zulassen wird, diese Informationen im Kontext zu sehen.

 

e) Die Überlieferungsgeschichte gnostischer Mythologumena in der patristischen Literatur

Da wir nicht nur die normalerweise für die Gnosisforschung ausgewerteten Schriften (Irenäus, Hippolyt, Epiphanius) in das Lexikon aufnehmen, sondern auch die späteren Häresiologen, wird das Lexikon es auch erlauben, die Überlieferungsgeschichte gnostischer Mythologumena nachzuvollziehen. Die neueren Ketzerbekämpfer basieren oft auf älteren – zuweilen verloren gegangenen – Schriften, wobei sie des Öfteren keine direkte Beziehung zu Gnostikern und zu ihren Schriften gehabt haben. Die Konkordanz, die die relevanten Textstellen chronologisch darstellen wird, wird es also ermöglichen, bestimmte Tendenzen in den Gnosisberichten, ebenso wie die Abhängigkeit späterer Häresiologen von älteren Quellen, zu entdecken bzw. zu bestätigen.

[1] Böhlig, Zum „Pluralismus“ in den Schriften von Nag Hammadi.